Geboren 1904 in Slawuta in der heutigen Ukraine, später übersiedelt die Familie nach Baranovich in Weißrussland. Mit 14 Jahren geht Feldenkrais nach Palästina - er arbeitet im Straßenbau, als Landvermesser, er lernt Jiu Jitsu und entwickelt eine Methode für den waffenlosen Nahkampf, er studiert Mathematik. 1929 zieht er sich eine schwere Knieverletzung beim Fußball zu, die später für die Entwicklung der Methode ausschlaggebend werden wird.
1930 geht er nach Paris und absolviert ein Studium der Ingenieurswissenschaften in Maschinenbau und Elektrotechnik. Den Begründer des Judo, Jigoro Kano, lernt Moshe Feldenkrais
1933 persönlich kennen - eine enge Freundschaft entwickelt sich. Feldenkrais beschäftigt sich intensiv mit asiatischem Kampfsport und mit chinesischer Medizin und wird der erste Europäer,
der den Schwarzen Gürtel zweiten Grades erwirbt.
Hauptberuflich arbeitet er im Labor des Ehepaars Joliot-Curie und promoviert in angewandter Physik.
1940 flieht Feldenkrais vor den Nazis nach England und arbeitet für die britische Admiralität im U-Boot-Abwehrkampf im Bereich Sonartechnik, gleichzeitig unterrichtet er
Selbstverteidigungskurse und Judo. Seine Knieverletzung verschlimmert sich. Unermüdlich sucht er nach einem Weg sich ohne Operation von seinen Schmerzen zu befreien... und findet ihn!
Vermittels kleinster, schmerzfrei möglicher Bewegungen schult Feldenkrais systematisch seine kinästhetische Wahrnehmung. Er beobachtet die Art und Weise, wie er sein Knie
gewohnheitsmäßig verwendet, und findet Möglichkeiten, es anders zu tun - ohne Schmerzen, jedoch effizient. Er lernt wieder zu gehen und verbessert seine Fähigkeiten, bis er
auch wieder Judo betreiben kann; er beginnt sich auch wissenschaftlich mit Judo auseinanderzusetzen.
Er studiert die Arbeiten von G.I. Gurdjieff, Elsa Gindler, F. M. Alexander und William Bates und besucht Heinrich Jacoby in der Schweiz.
1949 gibt er das Buch "Body and Mature Behavior: A Study of Anxiety, Sex, Gravitation and Learning" heraus, worin seine Erkenntnisse aus eigener Erfahrung und seinen Studien kulminieren.
1951 kehrt Feldenkrais nach Israel zurück, er wird Direktor der Elektronikabteilung der israelischen Armee.
Freunde fragen Feldenkrais nach seinem Geheimnis... wie hat er sich selbst wieder beigebracht zu gehen? Ohne Operation?
Vor die Aufgabe gestellt, seine persönlichen Erkenntnisse an andere weiter zu vermitteln, steht Feldenkrais vor einem großen Dilemma: seine Selbst-Rehabilitation basiert auf seinem
eigenen Lernprozess - sie ist nicht Folge einer Therapie! Wie soll er diesen Prozess bei anderen Menschen auf ebenso effiziente Art in Gang bringen? Mit Freunden und Kollegen beginnt er
mit einer Form des Unterrichts zu experimentieren, die auf individuelles Lernen abgestimmt ist, und die die Lernenden darin unterstützt, ihr eigenes Lernen zu verbessern.
Er beendet seine Tätigkeit bei der israelischen Armee 1954 und widmet sich daraufhin nur mehr der Weiterentwicklung und Weitergabe seiner Methode, deren erstaunliche Erfolge
Menschen aus aller Welt in seine Praxis kommen lassen. Einer seiner prominentesten Klienten ist David Ben-Gurion, erster Premierminister des Staates Israel: Feldenkrais unterrichtet
den Siebzigjährigen Ben-Gurion, bis dieser nicht nur von seiner Migräne und seinen chronischen Rückenschmerzen befreit ist sondern sich sogar zum Kopfstand bereit findet! Das Bild von David Ben-Gurion, der am Strand von
Tel-Aviv am Kopf steht, ist eines der bekanntesten Zeugnisse der Arbeit von Moshe Feldenkrais. Eine Plastik erinnert heute Vorbeigehende an den Moment, der schon damals andere Spaziergänger zum Mitmachen animierte.
Feldenkrais bietet Ausbildungen in seiner Methode an - zuerst in Israel, dann in den Vereinigten Staaten. Er schreibt Bücher über seine Methode, die auch zum Selbststudium geeignet sind.
1984 stirbt Moshe Feldenkrais in Tel Aviv.
Heute gibt es international akkreditierte Trainings-Programme zum Erlernen der Methode (die Berufsbezeichnung lautet Feldenkrais®-LehrerIn oder Feldenkrais®-Practitioner) weltweit. Die Ausbildung dauert 4 Jahre, mit erfolgreichem Abschluss der ersten beiden Jahre darf die Berufsbezeichnung Feldenkrais®-LehrerIn i.A. bzw. Feldenkrais®-Practitioner i.T. geführt werden, und Studierende der Methode erhalten - zeitlich befristet - die Erlaubnis, Gruppenunterricht in Awareness Through Movement/Bewusstheit durch Bewegung zu unterrichten.
Erst nach Absolvierung des vollständigen Curriculums und eines Abschlusspraktikums dürfen auch Einzelstunden in Funktionaler Integration/Functional Integration erteilt werden.
Die IFF (International Feldenkrais Federation) fasst die nationalen Verbände und Gilden, die darauf achten, dass die Methode
nach dem internationalen Stundenplan, wie er von M. Feldenkrais intendiert worden ist, unterrichtet und ausgeübt wird, unter ihrem internationalen Dach zusammen.
Die "Feldenkrais® community" - Studierende der Methode, LehrerInnen, Trainer und andere Bewegungsinteressierte verschiedenster Disziplinen - veranstaltet internationale Kongresse
und gibt neben Lehrmaterialien für Unterrichtende der Methode auch Studienmaterialien zum Selbststudium heraus.
Es existieren regelmäßig erscheinende Zeitschriften zum Thema, zB. gibt der deutsche Feldenkrais®-Verband (FVD)
die Zeitschrift "Feldenkraisforum" heraus, eine Gruppe aus
Angehörigen der Verbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz die "Feldenkrais-Zeit".
In Wien gibt es nicht nur den österreichischen Feldenkrais®-Verband FVÖ, der den jährlich erscheinenden "Feldenkrais Fokus" herausgibt, sondern seit 2011 das dritte
Feldenkrais®-Institut im deutschen Sprachraum.
Awareness Through Movement (ATM) nannte Moshé Feldenkrais die Stunden, die er Gruppen gab. Er widmete die einzelnen Stunden einzelnen Bewegungsfunktionen, nahm sich selbst beim
Unterrichten auf und beobachtete seine TeilnehmerInnen genau - wenn eine Stunde nicht so wirkte wie er es sich erhofft hatte, arbeitete er sie um, probierte sie erneut aus, beobachtete,
ob sie nun besser wirkte. Er wiederholte das über Jahre - so lange, bis er zufrieden war.
Die Aufnahmen der Stunden, die er in der Alexander Yanai Straße in Tel Aviv von den frühen fünziger Jahren bis in die späten siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
(er unterrichtete damals 8 Klassen pro Woche)
gab, stellen die Basis des Gruppenunterrichts dar, wie er bis heute von Lehrenden der Feldenkrais®-Methode angeleitet wird. Die beinahe 600 Stunden umfassende Sammlung der in
hebräischer Sprache gegebenen Lektionen ist transkribiert und ins Englische übersetzt. An einer Übersetzung in weitere Sprachen wird gearbeitet, die Übersetzung ins Deutsche ist beinahe
vollendet.
Das Lernen in der Gruppe erfolgt meistens im Liegen oder Sitzen, seltener im Stehen. Eine Lektion dauert etwa 45 Minuten. Die Lehrerin leitet die auszuführenden Bewegungen verbal an. Wichtig ist nicht, dass die Bewegung "gelingt" sondern die Qualität ihrer Ausführung, das Empfinden der ausführenden Person, die Offenheit und Freude, mit der eine einfachere, eine angenehmere Alternative gesucht wird. Sanfte Bewegungen, oftmals langsam und klein, dann auch wieder spielerisch rasch ausgeführt, ermöglichen effizientes Lernen.
Wirksamkeit von ATM-Lektionen
ATM-Stunden sind für Menschen ab etwa 16 Jahren geeignet. Das Lernen betrifft das Wahrnehmen und Ändern von Bewegungsmustern, die oft unbewusst stattfinden und im Lauf
des Lebens zu Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen geführt haben oder führen können.
Der besondere Vorteil von ATM-Lektionen: man braucht nicht sportlich, fit, schlank oder beweglich sein, um von ihnen zu profitieren. Es geht um das individuelle Lernen am und mit dem eigenen Körper - wahrzunehmen wie sich die Ausführung einer Bewegung für eine Person anfühlt und was dabei passiert,
das ist der Ausgangspunkt für nachhaltige Verbesserung.
Die Feldenkrais®-Methode gibt uns ein ausgefeiltes und wirksames Werkzeug an die Hand, uns selbst besser kennenzulernen, zu verändern, zu verbessern und dabei die Erfahrung der Selbstkompetenz zu machen.
Funktionale Integration (FI) heißt der Teil der Feldenkrais®-Methode, der der Einzelarbeit gewidmet ist. Während einer Lektion, die normalerweise 45 Minuten dauert, befindet sich die lernende Person in sitzender, liegender oder stehender Position oder übt eine Tätigkeit wie Gehen, Geige Spielen etc. aus. Wie Awareness Through Movement dient auch Funktionale Integration der Verbesserung der Qualität von Bewegung und Handlung über eine Veränderung des Selbstbildes, d.h. des Nervensystems. Das Anleiten der Lektion erfolgt hierbei durch Berührung mit den Händen, gesprochen wird wenig, die Aufmerksamkeit ist auf die Wahrnehmung der Bewegungsqualität gerichtet.
Für optimales Lernen ist ein Zustand angenehmer Entspanntheit günstig. Die Kommunikation über die Hände unterstützt die lernende Person darin, eigene Bewegungsmuster zu empfinden, alternative Muster zu erfahren und somit in die Lage zu kommen, selbständig - wenngleich nicht immer bewusst - das für sie beste zu wählen. Unbewusste Gewohnheiten werden durch diesen Unterricht veränderbar - das kann sich beispielsweise günstig auf Verspannungen auswirken oder zu verbessertem Klavierspiel führen oder die Verwendung des Beins nach einer Knieoperation wieder selbstverständlich werden lassen. Auch psychische Prozesse, beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie oder bei vermehrter Stressbelastung, lassen sich vermittels dieses Zugangs stabiler und leichter gestalten.
Die Methode basiert auf physikalischen - M. Feldenkrais selbst war ja Physiker - und entwicklungstheoretischen Prinzipien und der Grundlage der Plastizität des menschlichen Gehirns. Schon zu einer Zeit als dies nicht wissenschaftlich anerkannte Lehrmeinung war vertrat M. Feldenkrais die Ansicht, dass das Gehirn in der Lage ist zu lernen, so lange ein Mensch lebt. Mittlerweile ist diese Tatsache auch wissenschaftlich bestätigt und die Methode findet mehr und mehr Anerkennung von Seiten der Neurowissenschaften. Norman Doidge, Autor der Bestseller "The Brain's Way of Healing", erkennt in M. Feldenkrais einen Pionier der Neurowissenschaften, und Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen, schreibt über die Feldenkrais®-Methode:
Eine gute Bewegung im Sinne der Feldenkrais®-Methode ist eine, die effizient ausgeführt wird, d.h. die die Möglichkeiten des Skeletts und der Muskulatur optimal nutzt und sich angenehm anfühlt. Eine gute Haltung im Sinne der Feldenrais®-Methode ist eine, von der aus jederzeit und ohne große Vorbereitung in Bewegung übergegangen werden kann. Moshé Feldenkrais sprach in diesem Zusammenhang gern von "acture" anstatt von "posture".
January 23, 2020